Tausend Träume


das erste Buch über die Musik von Udo Jürgens

Leseproben


Resonanz

Ein erhebendes und erhabenes Werk

Über Udo Jürgens‘ spannendes Leben ist ausreichend berichtet worden, von ihm selber in drei Büchern sowie von etlichen anderen. Doch wodurch ist der Mann bekannt geworden? Durch seine Musik! Und genau dieser widmet sich das Buch so gut wie ausschließlich, denn diese Musik ist eine solch eingehende Betrachtung absolut wert. Das war vorher schon klar, doch wird es durch dieses Buch noch klarer.

Der Autor nennt sein Werk ganz bescheiden „das Buch eines Fans“. Doch kommt „Fan“ von „Fanatiker“, und Fanatiker sind unkritisch und finden per se alles großartig, was das Idol schafft. Daher möchte ich an dieser Stelle widersprechen: Es ist nicht das Buch eines Fans, sondern das Buch eines Kenners und Liebhabers. Der Autor geht erfrischend kritisch, bisweilen sogar provokativ zur Sache, doch immer kompetent und nachvollziehbar begründet, nie Kritik der Kritik wegen. Bei einem so großen künstlerischen Output wie dem von Udo Jürgens bleiben Höhen und Tiefen nicht aus, daher muss man die Tiefen beim Namen nennen, um die Höhen entsprechend zu würdigen. Alles andere wäre Gleichmacherei, die dem Werk Jürgens‘ nicht angemessen wäre und dieses Buch zudem überflüssig machen würde.

Dass ich nicht in allen Punkten mit dem Autor übereinstimme (so verdamme ich z. B. nicht so pauschal die Produktionen der 70er, was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass ich mit ihnen aufgewachsen bin und sentimentale Erinnerungen an meine musikalische Sozialisierung damit verbunden sind, ähnlich wie beim Autor mit Jürgens‘ Musik der 60er, wohingegen ich zu einigen Alben der 80er nie einen Zugang gefunden habe wegen des „kalten“ Sounds), tut dem Buch keinen Abbruch, im Gegenteil, es erweitert auch dahingehend meinen Horizont. Mit Hilfe dieses Buches habe ich die Musik von Udo Jürgens neu entdeckt und höre sie nun mit anderen Ohren, was durchweg positiv zu bewerten ist. Besonders, da im Buch auf viele vergessene „Schätze“ (vor allem der 60er) aufmerksam gemacht wird.

Ebenso kompetent wie die musikalischen werden auch die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge des Schaffens von Udo Jürgens erläutert. Für mich, der ich diese Zeit nicht miterlebt habe, sehr aufschlussreich. Gleiches gilt für Querverweise zur Musikgeschichte allgemein und zum Schaffen von Künstlern wie Frank Sinatra, Sammy Davis jr. oder den großen französischen Chansonniers im speziellen. Hochinteressant sind zudem die Genre-Analysen – Schlager oder nicht Schlager, U-Musik vs. E-Musik, wozu der Autor seine ganz eigenen Gedanken ausführt.

Für wirkliche Liebhaber von Udo Jürgens‘ Musik ist dieses Buch ein Muss; man kann es einfach nicht aus der Hand legen, wenn man einmal angefangen hat, darin zu lesen. Am Ende ist man traurig, dass es schon vorbei ist, es könnte gerne noch tausend Seiten so weitergehen. (Ein Wink mit dem Zaunpfahl an den Autor, seine Lücken zu schließen und in einem Fortsetzungsband darüber zu berichten!)

Michael Werner



Geschmiedete Leidenschaft

Der Mozartianer Thomas Bernhard war bekennender Udo-Jürgens-Fan. Der Wagnerianer Vicco von Bülow ist es. Da staunt der Laie. Nun kommt ein Fachmann, der sich bislang um Glenn Gould und Walter Benjamin gekümmert hat. Der Musikpublizist Jens Hagestedt. Er widmet Udo Jürgens ein grundlegendes Werk. Verblüffendste Aussage: Udo Jürgens hat als Liedkomponist das Format eines Franz Schubert. Wie bitte? Ist dieser Udo nicht Schlagersänger? Ja, doch, auch. Aber Gesänge von griechischem Wein meint Hagestedt nicht. Überhaupt weniger die Greatest Hits. Sondern? Zum Beispiel „Jenny“ oder „Sag mir, wie“ oder „Du darfst nicht gehn“, eine „Tiefbohrung ins kollektive Unbewusste der vor-68er Epoche“. Vor allem Lieder, die zwischen 1963 und 1972 entstanden sind. „Sie haben genauso viel Substanz wie Schuberts Lieder. Dass diese Substanz anders ‚ausgebaut‘ worden ist, als Schubert es getan hätte, mindert ihren Wert nicht.“ Hagestedt kommt auf fünfzig-plus Stücke, die diese Qualität haben – und die an Substanz dem Oeuvre der Beatles in Nichts nachstehen. Er beschreibt und analysiert so scharfsichtig wie mitreißend. Sein Buch ist geschmiedete Leidenschaft. Es enthält nebenbei so viel Grundsätzliches und tief Durchdachtes über Kunst und Leben, dass sogar Leser, die anders als Bernhard und Loriot keine Fans sind, damit glücklich werden können.

Dietmar Bittrich, Rheinischer Merkur


Liebevoll-respektvolle Werbung

Dieses Buch geht wie vorher kein anderes detailliert auf das Liedschaffen von Udo Jürgens ein und macht Lust, viele Lieder mit neuem „Ohrenmerk“ auf die vom Autor hervorgehobenen Details wieder zu hören. Und was das ganz große Plus ist: Es fordert den Fan zum Widerspruch auf, aber zum konstruktiven Widerspruch. Das Buch ist so herrlich subjektiv! (Man darf ein Urteil nur ja nicht persönlich nehmen. Hagestedt richtet verbal einige Lieder in Grund und Boden, die zu meinen Lieblingsliedern gehören. Aber er begründet es, wie ich finde, schlüssig, und das ist zu respektieren. Er gibt seine Meinung wieder, kein „abschließendes Urteil der Musikgeschichte“, das es sowieso nie geben wird.)

Grandios finde ich die liebevoll-respektvolle „Werbung“ für die Lieder der 60er Jahre, zumal für die Lieder aus der Vogue-Zeit. Dies ist bisher nie so sensibel geschehen. Mit welcher detailfreudigen Hingabe der Autor Liedstrukturen und Interpretationen, Arrangements und musikgeschichtliche Einordnung miteinander verknüpft, das liest sich einfach super, man „frisst“ es und „schmeckt“ die Lieder wieder mal völlig neu. Es reizt eigentlich jede Seite zum konstruktiven Nachdenken und Reagieren. Was SEHR für das Buch spricht.

Alexander Kinsky